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Unternehmen > Temu

Wie viel Schmu steckt in der Erfolgsstory?

(Foto: picture alliance / NurPhoto / Nikos Pekiaridis)

Das rasante Wachstum der chinesischen Shopping-App verhilft der Aktie des Mutterkonzerns PDD Holdings zu großer Beliebtheit, die Methoden hinter dem Mega-Erfolg aber sorgen neben der Konkurrenz nun auch Europas Behörden.

Etwa 4.000 Tonnen Luftfracht verschickt Temu nach Angaben des Beratungsunternehmens Cargo Facts – täglich. Das sind 108 Boeing-Maschinen des Typs 777 randvoll mit krassem Tand und teilweise giftigem Plunder. „Der größte Trend, der die Luftfracht beeinflusst sind chinesische E-Commerce-Unternehmen wie Shein oder Temu“, sagt Basile Ricard, der beim Groß-Spediteur Bollore Logistics für das China-Geschäft verantwortlich ist. Immer mehr jener Fracht landet dabei auch bei uns in Deutschland. Das Luftfahrt-Portal areo.de meldete jüngst, dass die Lufthansa sogar eine eigene Linie für Temu zwischen Zhengzou und Frankfurt am Main plane. Bestätigen wollten das weder Lufthansa Cargo noch Temu.

Airliner voller Krempel

Fakt ist: Shopping-Konzerne aus China, allen voran Temu, stellen gerade Europas (Online-)Handel auf den Kopf. Mit einer nie dagewesenen Aggressivität tritt die erst 2022 in den USA gegründete Tochter des chinesischen PDD Holding-Konzerns in den Online-Shopping-Markt ein. Bei Temu kann man heute in gut 50 Ländern einkaufen. Allein in Deutschland kommen Schätzungen nach derzeit 200.000 Pakete des Unternehmens an. Jeden Tag! 26 Prozent aller Deutschen kauften einer Studie des Marktforschungsunternehmens Appinio zufolge im zweiten Halbjahr 2023 etwas bei Temu gekauft. In der Download-Rangliste der beliebtesten Shopping-Apps in Deutschland belegte Temu 2023 Platz: Eins.

Was für ein kometenhafter Aufstieg. Rund zwei Jahre nach der Gründung gehört Temu in Deutschland hinter Amazon, Ebay und Otto bereits zu den beliebtesten Online-Marktplätzen. In den USA ist der Hype noch größer, 2023 wurde dort keine iPhone App so häufig heruntergeladen, wie die jener Firma.

Temu funktioniert ähnlich wie Amazon. Kunden können über einen Online-Marktplatz nahezu alles erwerben, was ein Käuferherz begehrt. Temu stellt die Plattform zur Verfügung, Verkäufer sind tausende einzelne Händler. Der Schlüssel zum Erfolg: Kampfpreise und gigantische Ausgaben für Werbung. Produkte und Händler stammen meist aus China, wo allerbilligst produziert wird. Diesem Preiswettbewerb hält kein Handelskonzern aus Europa oder den USA stand, nicht einmal Amazon. Über die Konzernmutter PDD Holdings hat Temu zudem die nötigen Milliarden für riesige Marketing-Kampagnen zur Verfügung. Im vergangenen Jahr soll das Unternehmen nur für die Werbung auf den Social-Media-Kanälen von Meta zwei Milliarden US-Dollar ausgegeben haben, so viel wie keine andere Firma, wie das Wall Street Journal berichtete. Auch bei Google soll Temu zu den fünf größten Werbekunden gehören. Woher das ganze Geld? 2018 machte PDD an der Technologiebörse Nasdaq den Schritt aufs Börsenparkett. Mit dem Börsengang sammelte das Unternehmen 1,6 Milliarden US-Dollar ein, 2019 gaben die Chinesen weitere Aktien im Wert von mehr als einer Milliarde in Umlauf.

PDD Holdings-Aktie

Satter Geldsegen

Schon jetzt ist PDD Holdings an der Börse umgerechnet 157,5 Milliarden US-Dollar wert. Die Aktien des Konzerns vervierfachten sich innerhalb von zwei Jahren fast. Und der Konzern wächst kräftig. Im dritten Quartal 2023 stieg der Umsatz um 94 Prozent auf 9,4 Milliarden US-Dollar. Dazu trug nicht nur Temu bei, sondern mit der in China beliebten App Pinduoduo auch die zweite große E-Commerce-Plattform des Konzerns. Für Anleger ist das eine Erfolgsgeschichte, die sich fortsetzt. Schließlich hat PDD über Temu ja gerade erst damit begonnen, die westlichen Märkte zu erstürmen. Für die Konkurrenz und Europas Behörden stellt sich hingegen die Frage, wie viel dieses Erfolgs sich der Konzern mit unlauteren Methoden erschwindelt.

Alles koscher bei Temu?

Zuvorderst steht dabei der massive Vorwurf im Raum, Temu würde die europäischen Zollbestimmungen bewusst umgehen und bei der Umsatzsteuer tricksen. So tauchen bei den Kontrollen immer wieder Päckchen auf, deren angemeldeter Inhalt deutlich unter dem eigentlichen Warenwert liegt. So können ausländische Händler Umsatzsteuer und Zollgebühren sparen. Denn Päckchen, hier mit einem Warenwert von unter 150 Euro sind in Europa von den Zollgebühren befreit. Häufig werden Bestellungen, die insgesamt einen Warenwert von über 150 Euro haben, auch gleich in zwei getrennten Paketen verschickt, deren jeweilige Kaufsumme dann wieder unter der Zollgrenze liegt. Das ist ohne Frage trickreich – und illegal. Das Problem: Bei Milliarden von Päckchen im Jahr, kann nur ein unbedeutender Bruchteil kontrolliert werden. Temu betrügt sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz.

Es ist nicht der Einzige, der höchst fragwürdig scheint. Der Spielzeugverband „Toys Industries of Europe“ stellte jüngst bei 18 von 19 getesteten Spielzeugen von Temu Sicherheitsrisiken fest. Die EU-Richtlinien wurden bei keinem Produkt eingehalten. Elektrogeräten, über die Plattform bestellt, fehlt oft die in Europa vorgeschriebene CE-Kennzeichnung. Ohne die kann es auch für Kunden brenzlig werden, wenn die Elektroware sich in Rauch oder gar Feuer auflöst. Regularien, die europäische Händler befolgen müssen, ignoriert Temu offenbar. „Die heimischen Handelsunternehmen investieren viel Geld in die Einhaltung von Umwelt- sowie Verbraucherschutzauflagen und finanzieren mit ihren Steuerzahlungen das Gemeinwesen. Dagegen kommen über chinesische Plattformen wie Temu massenhaft Waren auf unseren Markt, die gegen sämtliche Vorschriften verstoßen“, sagt Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland (HDE). Testkäufe von Elektrogeräten durch die Bundesnetzagentur stützen die Problematik. Die gesetzlichen Anforderungen seien in fast allen Fällen nicht eingehalten worden, erklärte Staatssekretär Udo Philipp in einem Schreiben an den CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Meister, der zuvor nach der Position der Bundesregierung zum Thema gefragt hatte. Und vom massiven Abgriff der Kundendaten wollen hier nicht anfangen. Denn wer sich bei Temu anmeldet, wird allerlei komisches Zeug gefragt, wenn er oder sie sich mit dem Kundenkonto beschäftigt.

Fazit: Die rasante Expansion der gigantischen Chinaklitsche ist beeindruckend, doch die vielen unlauteren Tricks im Hintergrund sind es auch!

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